Social Media Marketing – authentisch oder strategisch?

Social Media Marketing – authentisch oder strategisch?

Von Thomas Spiekermann

Besser beides! Ohne Frage sind die sozialen Medien nicht nur zu einem Sehnsuchtsort der Menschen geworden, die ihr Privatleben auf dem Silbertablett ausbreiten wollen. Auch wer geschäftlich unterwegs ist, träumt von explodierender Aufmerksamkeit und durch die Decke gehenden Sympathiewerten. Wer will sein Marketing nicht mit einer genialen Social Media Strategie zum Erfolgsbooster machen? Schnell ist die Verführung da, sich selbst und sein Geschäft ein bisschen größer, schöner und edler zu machen, als es ist.  

Jüngst stand die Kanzlerkandidatin der Grünen im Fadenkreuz der Medien und ihrer politischen Gegner. Angeblich habe sie ihren Lebenslauf geschönt, um sich eindrucksvoller zu machen, als sie tatsächlich ist. Dass derlei in Deutschland ohne Umschweife zur Hetzkampagne wird, kann man mit Recht verabscheuen. Man muss es aber auf dem Zettel haben, wenn man seine Vita aufhübscht, seine Leistungen aufbauscht oder seine Positionierung so lange pimpt, bis sie mehr Renommee-Botox als reale Daten enthält. Wie das ausgehen kann, zeigt das Beispiel Annalena Baerbock, deren Buch und leider auch Person gerade medial vernichtet werden.

Haben die Bullterrier in den Medienhäusern erst mal zugepackt, lassen sie nicht mehr los, bis es nichts mehr zu zerfleddern gibt. Und die Plagiatsjäger? Auch die sind sicher nicht immer Edelmänner der Wahrheitssuche, sondern haben mitunter ihre eigene geheime Agenda, zu der oft auch ein Teil Geltungsbedürfnis und manchmal auch ein Stück Sadismus gehört. Florence Gaub, eine Autorin, von der Baerbock für ihr Buch „Jetzt“ abgeschrieben haben soll, äußerte sich in der WELT deutlich zur ungefragten Hilfestellung: „Ein Plagiatsjäger ist ein Kammerjäger: Keiner will so richtig was mit denen zu tun haben. Klar machen die einen wichtigen Job, aber er stinkt.“

Social Media Branding – brandheiß und brandgefährlich

Doch egal wie man das finden mag – eines zeigt es klar: Wo immer wir etwas beschönigen, besonders im absolut öffentlichen Social Media Auftritt, fällt es irgendwann auf und einer, der anschwärzt, ist nicht weit. Ob das Ganze nur Gossip bleibt oder sich zum Feldzug auswächst, ist dann oft keine Frage der Tatsachen mehr, sondern lediglich eine der Wahrnehmung. Wahr ist, was Menschen glauben, oder wie es die Konstruktivisten sagen: Es gibt nur eine Realität, aber jeder Mensch hat seine eigene Wirklichkeit. Und diese Wirklichkeit lässt sich trefflich manipulieren.

Insofern ist der brandheiße Tipp mitunter brandgefährlich, seine Marke in den sozialen Medien über Gebühr zu strapazieren, weil man niemals in der Hand hat, welche Dynamik die Behauptung von Beschönigung, Unwahrheit oder Unredlichkeit in der Welt der Hypes, aber auch Shitstorms entwickeln kann. Wer mit Social Media Marketing und Social Media Branding für Unternehmen oder sich selbst im Licht der Öffentlichkeit steht, muss demnach mit ihren Argusaugen rechnen und sollte deren Scharfblick nicht unterschätzen.

Menschen besitzen ein weitaus stärkeres Gespür für Unstimmigkeiten, als man in der Oberflächlichkeit der sozialen Plattformen gemeinhin annimmt. Wer sich nicht komplett widerspruchsfrei präsentiert, muss davon ausgehen, früher oder später Störgefühle beim Publikum auszulösen. Schnell heißt es, bei ihr oder ihm stimme etwas nicht und die oder der seien zu toll, um wahr zu sein. Von da an ist es bis zum Vorwurf nicht weit, der ganze Auftritt sei nichts anderes als Blendwerk, Schall und Rauch.

Selbstdarstellung in Social Media 

Selbstdarstellung in Social Media

Zwar heißt es „Wer nicht wirbt, der stirbt“, doch gehört es zu den ältesten Weisheiten der Werbebranche, dass alles, was bekannt macht, zugleich die Beliebtheit schmälert und dass die wahre Kunst darin besteht, den ersten Effekt größer zu machen als den zweiten. Wie sich das auswirken kann, haben wir vor vielen Jahren bei der SATURN-Werbung „Geiz ist geil“ gesehen. Noch heute ist der Slogan in aller Munde, aber wirklich beliebt hat er den Medienkonzern nicht gemacht.

Insofern vergessen wir oft, dass wir unsere Leistungen zwar ins rechte Licht rücken, aber nicht damit prahlen sollten, so stolz wir zu Recht darauf sein mögen. Insbesondere wer Social Media als Marketinginstrument nutzt, sollte bedenken, dass Aufschneider auf Dauer nicht sympathisch sind, selbst wenn sie die Welt gerettet haben sollten. Aber auch hier ist der Grat schmal zwischen ehrlich gemeinter Demut und kalkuliert wirkendem Understatement, um sich zu einem Altruisten hochzustilisieren, der man in Wahrheit nicht ist. Auch das fällt auf, wenn nicht heute, dann morgen, und der Flurschaden ist kaum mehr zu beheben.

Kniffliger Social Media Auftritt – auf die Dosis kommt es an

Kniffliger Social Media Auftritt – auf die Dosis kommt es an

©dragonstock/stock.adobe.com

Bisher war die Rede davon, mit Worten und Bildern mehr aus sich machen, als in Wahrheit da ist. Umgekehrt geht das aber fast ebenso oft schief. Man hat ein klasse Produkt im Portfolio oder ist ein Könner auf seinem Gebiet und möchte die Welt dies mit Fug und Recht auch wissen lassen. Doch die Social Media Strategieentwicklung und das passende Wording funktionieren nicht. Am Ende kommt man nicht so stark herüber, wie man tatsächlich ist, oder man überzieht die Maßnahmen. Und schon heißt es ganz zu Unrecht: „Heiße Luft und wenig dahinter!“

In anderen Fällen sagt oder schreibt man etwas Unbedachtes, und weil sich Worte bekanntermaßen niemals zurückholen (auch und besonders nicht in den sozialen Medien) lassen, hängen sie über lange Zeit als Bleikugel am Bein. Oder man wirkt inkohärent, ohne zu wissen warum. Passt das strenge Outfit nicht zur Positionierung als Entertainer? Torpediert der Dreitagebart die Seriosität, die man für sich in Anspruch nimmt? Passt das Hobby gefühlt nicht zum Ethos der Profession?

Social Media – lieber authentisch als strategisch, aber am besten beides

All dies und andere Fragen sind knifflige Herausforderungen der Selbstdarstellung, ohne zum Selbstdarsteller zu werden. Nicht alles in diesem Feld lässt sich komplett kontrollieren, bei vielem hilft eine professionelle Unterstützung, aber eines ist das A&O: Strategisch ist wichtig in den Social Media, aber authentisch ist wichtiger. Und nur wer beides schafft, hat eine Chance, an die Spitze zu kommen.

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7. Juli 2021

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