Leserschwund? Print-PR bleibt unersetzlich

Auflage! Auflage?

Auflage ist alles! Ist Auflage alles?

Von Petra Spiekermann

Ja, ich gebe es zu: Ich bin immer noch eine leidenschaftliche Printtante. Intelligente und spannende Zeitschriften und Magazine in einem ansprechenden Layout tun es mir immer noch an. Metropol, Brand eins, Landlust, das Handelsblatt oder eine großformartige Tageszeitung auf dem Sofa zerpflückt (der Sportteil wird umgehend aussortiert) – welch Vergnügen. Wie entwickelt sich der Printmarkt aktuell? Das habe ich mir mal näher angeschaut und auf die sogenannten IVW-Zahlen des dritten Quartals 2021 fokussiert. Im Visier dabei die „harten Auflagen“, das sind die Auflagenzahlen, die nicht durch die Bordexemplare in Bahn und Flugzeug oder durch die Lesezirkel-Mehrfachvermietungen, die Du bestimmt aus der Arztpraxis kennst, kosmetisch geschönt werden.

In der Kategorie „Aktuelle Zeitschriften und Magazine“ sticht der Spiegel hervor, der 4,6 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal des Vorjahres zugelegt hat. Stern (-5,2 %), Focus (-0,7 %), Cicero (-6,8 %) – allesamt rückläufig. In der Sparte Klatsch & Tratsch und Stars & Sternchen sieht es nicht besser aus. GALA stürzt um mehr als 7 Prozentpunkte ab, die BUNTE etwas milder um 2,6 Prozent. Bei Closer, das Anfang 2014 in Frankreich die „Croissantaffäre“ von Francois Hollande mit der Schauspielerin Julie Gayet publik gemacht hat und damit den französischen Boulevardpfad des „Celebrity-Tratschs mit Samthandschuhen“ (Süddeutsche) verlässt, geht’s binnen Jahresfrist um fast 19 Prozent nach unten.

Täglich grüßt der Promi-Trash

Promi-Trash

@Kzenon / stock.adobe.com

In diesem Segment punktet einzig OK! mit mehr als 20 Prozent (!) Zuwachs (mir ist ein Rätsel, wer dessen Infos braucht) … Vielleicht liegt es daran, dass das Medium eine nahezu coronafreie Zone geschaffen hat, in der man sich vortrefflich am Unglück der Reichen und Schönen weiden kann. Jennifer Garner und Ben Affleck – die „Ehe ein Albtraum“, Star-DJ Felix Jaehn mit „Panik-Attacken statt Party-Leben“ oder der Rosenkrieg des „Hochzeit auf den ersten Blick„-Paares Philipp und Melissa – vielleicht vermag das in der Täglich-grüßt-das Murmeltier-Homeoffice-Atmosphäre all jenen etwas Trost zu spenden, die ebenfalls um Contenance und Resilienz in diesen verrückten Zeiten ringen. Für View, In, Intouch, Grazia oder Good Health geht’s steil bergab, oft im zweistelligen Bereich. Auffällig allein noch der Anstieg beim monatlichen Printpendant von Tichys Einblick. Das polarisierende Magazin rund um Roland Friedrich Tichy, den ehemaligen Chefredakteur von Impulse, EURO oder der Wirtschaftswoche, legt fast 10 Prozent zu.

Die TV-Zeitschriften bleiben ihrem Abwärtstrend treu und stürzen weiter den Auflagenhang hinab, lediglich TV schlau scheint irgendwas schlauer zu machen als die anderen Programmies und legt deutlich zu (+12 %). Schlecht geht es den Yellows und wöchentlichen Frauenzeitschriften. Herz im Schuss und Frau im Blatt finden keine neuen Zielgruppen. Die Sparten Essen und Lifestyle entwickeln sich hingegen in Teilen sehr erfreulich; ein wenig Hedonismus in Zeiten der Pandemie sei erlaubt!

Finanzen und Geldanlagen hoch im Kurs

Magazin für Geldanlage

@mizar_21984 / stock.adobe.com

Schauen wir noch auf die Wirtschaftspresse, die schließlich für unsere Zielbranche erheblicher ist. Der Einblick ist ganz interessant. Die Fachmedien der Buchbranche haben zu Jahresende einen Anstieg der Verkaufszahlen rund ums Sachbuch zu den Themen Finanzen und Geldanlage vermeldet. Das scheint sich auch in der Presselandschaft zu spiegeln. Der Vermögensberater mit einem Plus von 7,6 Prozent, Focus Money plus 5,6 Prozent, EURO plus 1,8 Prozent, EURO am Sonntag plus 8,3 oder Der Aktionär mit einem Zugewinn von satten 16,4 Punkten. Capital und Manager Magazin sind noch sehr leicht gestiegen, Wirtschaftswoche (-1,5 %) und Brand eins (-5,1 %) mit Verlusten und der Harvard Business Manager sinkt um empfindliche 23,1 Prozent.

Wer sich für die gesamten IVW-Auflagen (IVW = Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V.) sowie Gewinne und Verluste von mehr als 300 Zeitungen und Zeitschriften interessiert – „und was davon übrig bleibt, wenn man nur die ‚harten Auflagenkategorien‘ betrachtet“, findet die komplette Übersicht nach Genres im Medienmagazin DWDL.de unter https://www.dwdl.de/zahlenzentrale/85009/ivw_32021_so_hoch_ist_die_harte_auflage_wirklich/
Print hat es also weiterhin schwer. Neben den Leserabwanderungen in die Onlinewelt kämpfen die Medienhäuser zudem um den Werbemarkt. Auch hier ist besonders die digitale Werbung stark gewachsen, wovon vor allem die „Megaplattformen“ aus den USA profitieren.

Warum Print trotzdem unersetzlich ist …

Haptik, Farben, Geruch, Geräusche: Print spricht alle Sinne an. Und je mehr Sinne was abbekommen, desto länger werden die Inhalte erinnert. Print bietet vor allem bei längeren Beiträgen einen tollen Lesekomfort. Für das Auge ist es (jedenfalls für mich) wesentlich angenehmer und eine willkommene Abwechslung zu dem Tag vor Monitor und Flimmerkiste. Zudem scheint Print immer noch glaubwürdiger zu wirken als viele Onlinedienste. Printmedien mindern den Zeitdruck, man kann sie weglegen und wiederaufgreifen. Irgendwie hat Gedrucktes einen richtigen Anfang und ein Ende und man verliert sich nicht in einem Labyrinth aus Verlinkungen, Pop-ups, Videos, Push-Anfragen oder Cookie-Krümeleien.

Irgendwie nimmt Gedrucktes den Druck, und was lässt sich nicht alles aus alten Zeitungen und Zeitschriften basteln und bauen (https://www.smarticular.net/upcycling-zeitungen-prospekte-sinnvoll-nutzten/) an den langen Winterabenden 😊.

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