Don‘t ride the hype. Warum wir nicht alle PR-Trends mitmachen sollten

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Von Thomas Spiekermann

Öfter haben wir die Aufgabe, die Positionierung eines Kunden rundzuerneuern oder gänzlich einzuebnen, um eine neue aufzubauen. Der wichtigste Gradmesser dabei ist die Wirksamkeit, für die das Ergebnis glaubwürdig und authentisch sein muss. Denn längst sind nicht alle PR- und Marketingtrends so erfolgreich, wie ihr Neuigkeitswert verheißt. Worauf also setzen in einer Zeit, in der Schnelllebigkeit die neue Stabilität zu sein scheint?     

Ein exklusiver Club macht neu auf in der Stadt, und die ersten Gäste stammen wie immer aus der hippen Hautevolee in ihren schicken Karossen und schnieken Klamotten, die überall als erste aufschlägt und von den Türstehern hofiert wird. Das gemeine Volk aber muss erst mal draußen bleiben, bis das Interesse der Schickeria sich oft über Nacht wieder verflüchtigt hat. Kaum ist dieser Tag angebrochen, mutiert die gestern noch rüde Einlasskontrolle blitzgeschwind vom Cerberus zum Chihuahua und hofft, dass das einfach gestrickte Publikum besser ist als der Ruf schnöder Normalität, der ihm vorauseilt.

Schon gehen die Preise runter, aus Armani wird H&M und plötzlich gibt‘s Happy Hour für Whisky Sour und all die anderen coolen Drinks, die zwar komisch schmecken, aber elitären Nimbus verleihen. Nur sind die Mixe jetzt dünner und der Whisky kommt vom Discounter statt aus der schottischen oder japanischen Edel-Destille. Halten wir fest: Kaum haben die Normalos das Paradies geentert, ist der Anfang vom Ende eingeläutet und der nächste Club lockt die oberen Zehntausend mit neuem Glanz und Glitter.

Tradition hat Tradition hat Tradition

Allerdings: Die traditionsreiche Eckkneipe am Bahnhof, das freundliche Café mit dem leckeren Macchiato und das italienische Restaurant, im dem Saltimbocca-Besteller eher die Ausnahme als die Regel bilden, sind immer noch da. Mit ihrer offenen Art und ihrem soliden Service überdauern sie die immer neuen Leuchtreklamen im Schickimicki-Viertel, das permanent neue Stimuli produziert, damit es nicht zur Wüstenei gescheiterter Gastronomiekonzepte wird.

Traurig, aber wahr – nur was verrät uns dieser bissige Blick in die Welt des schönen Scheins für unseren Auftritt in der Öffentlichkeit, für unsere Kommunikation, unsere Positionierung und das Portfolio unserer Produkte und Dienstleistungen? Dass nur noch zählt, was Schall und Rauch ist, die in der Atmosphäre schneller verfliegen als der Duft eines Maiglöckchens im Schatten einer Müllverbrennungsanlage? Oder dass das qualitativ Solide viel resilienter gegen all die immer neu aufpoppenden schrägen Ideen ist, als man glaubt?

Hype oder Haltbarkeit – was soll es sein?

Keine Frage, der Wettkampf ist hart um die besten Plätze auf der Bühne der Bekanntheit. Schön und schlau ist man ohnehin schon. Jetzt muss man nur noch berühmt werden. Logischerweise will man der jagenden Mitbewerbermeute da voraus sein: die auffallendste Website, das coolste Social-Media-Gimmick, das brandneuste Tool für die Kunden, die exotischste Lizenzierung – mit der ersten Maßgabe, dass es einen klasse Eindruck macht.

Es scheint, als habe die Stabilität einer Profilierung und Positionierung in volatilen Zeiten keinen Wert mehr, als sei Fluktuation der neue Standard, dem alle zu huldigen haben. Ob man will oder nicht: Aus der Sau, die früher von Zeit zu Zeit durchs Dorf trabte, ist eine Stampede von Marketingtrends, PR-Hypes und Positionierungsmoden geworden, in der sich die Verfolger beim Versuch überschlagen, das kapitalste oder das schnellste der rasenden Viecher reiten zu können.

Was viele dabei vergessen: Man muss die Versprechen auch alle einlösen, die man in den Köpfen der Zielgruppe erzeugt hat. Will man alles bedienen, was jeden Tag als das „neue Normal“ durchs Internet schwappt, braucht es einen Quantenprozessor im Kopf, um beim Gipfelsturm auf die steilen Lernkurven nicht jählings abzustürzen. Kaum hat man das Neue halbwegs im Griff, um es endlich anzuwenden, ist es bereits wieder von gestern. Und schon wird der nächste Trend von entflammten Dampfplauderern in die Köpfe der Zielgruppe gejubelt.

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Lotsen mit Lösungen sind gefragt

Hinzukommt, dass die Kunden zwar ganz gaga sind vom Füllhorn der gigantischen Möglichkeiten und alles Hippe als Erste wollen. Am Ende und in Wahrheit brauchen sie aber eher praktikable Lösungen, die der Flut der Veränderungen wie der Fels in der Brandung standhalten. Dass diese Wahrheit nicht in den eilig hingeworfenen Heilsversprechen der Trenddesigner liegt, sondern in bewährten Standards, die sich der Zukunft mit Intelligenz anpassen, muss man ihnen erst mühsam wieder beweisen.

Überlegen Sie also genau, wo sie disruptiv sein wollen oder gar müssen, um den Anschluss an die wilde Fahrt in die Zukunft nicht zu verpassen. Das gilt sowohl für Ihre Produkte als auch für Ihre Positionierung und ihre Öffentlichkeitsarbeit. Tatsächlich ist es oft schlauer, den neuen Bedürfnissen mit bewährten Lösungen zu begegnen. Das nimmt Ihrer erleichterten Zielgruppe Komplexitätslast von den Schultern, statt ihr mit exaltierten Sternschnuppen mehr davon aufzubürden.

Halten Sie Ihre Persönlichkeit in Ehren

Denken wir immer daran: Eine Waschmaschine mit zwanzig Computerprogrammen, von denen man nur zwei tatsächlich benutzt, ist überdimensioniert und demnach überbezahlt. Zwar haben die Pferdezüchter das Auto nicht mehr von den Straßen vertrieben, aber auch Letztere haben seit über 100 Jahren immer noch einen Motor, vier Räder, ein Gaspedal und eine Bremse. Der Auspuff mag langsam wegfallen, weil die Autos künftig surren, statt knattern, aber das Beamen wird noch lange nicht erfunden, um den PKW zu ersetzen.

Was lernen wir daraus? Ob es um Ihre Produkte und Services geht, um Ihr Profil oder die Inhalte sowie die Methoden und Tools Ihrer Kommunikation: Bevor Sie alles revidieren, um dem Zeitgeist ihre Persönlichkeit zu opfern, schauen Sie auf Ihre wahre Substanz, auf Ihre Herzenssache und das, was bisher verlässlich funktioniert hat. Auch im Zeitalter der Disruption hat Adaption ihren Wert nicht verloren und ist oft wirkungsvoller, als Kunden mit Marketing- und PR-Musterbrüchen von kurzer Halbwertszeit zu verwirren. Wenn man Sie für etwas mag und schätzt, wenn man Ihnen dafür Vertrauen schenkt, wenn man Ihrer Expertise und Positionierung glaubt, sollten Sie wirklich tausendprozentige Gründe haben, bevor Sie all das für den kurzen Kick über Bord werfen.

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