Wir glauben, was wir sehen: So lassen sich Botschaften in Bilder packen

Über visuelle Kommunikation zur Marke

Von Petra Spiekermann

„Das Auge isst man mit“, sage ich gerne scherzhaft, wenn ich ein besonders schönes Arrangement wie einen toll foodgestylten Teller sehe. Ein perfekt inszeniertes Gericht weckt Emotionen und den Appetit, es macht Lust auf mehr. Das gilt nicht nur für ein perfekt angerichtetes Essen, sondern für alles, was das Auge optisch erfreut. Bilder haben eine immense Kraft, auch wenn es um den Vertrieb von Dienstleistungen geht. In einer guten Bildproduktion und Auswahl liegt ein ungeheures Potenzial, das viele Experten nicht hinreichend heben. Oft sind es die immer gleichen Fotos aus Bilddatenbanken, sogenannte Stockfotos, die viele Trainer, Coaches und Berater in ihrem Marketing einsetzen.

Nehmen wir mal das Feld Coaching. Hier wimmelt es vor gestapelten Steinpyramiden. Oder vor stilisierten Icon-Männchen ohne Haare und Gesicht, die einander die Hand reichen und sich über einen Abgrund helfen. Dicht gefolgt von ästhetisch schön fotografierten Motiven aus Fauna und Flora. Oder Leuchttürmen und einer Meeresbrandung, die sanft in der Abendsonne auf feinem Sandstrand ausläuft. Zugegeben: Die Bilder strahlen etwas aus – Ruhe, Ausgeglichenheit, Harmonie und Entspannung. Sie sind fast paradiesisch – einfach vollkommen. Aber was haben sie mit den Angeboten der Berater zu tun? Was mit deren Methoden? Mit den Zielgruppen? Mit der Persönlichkeit des Anbieters?

Diese Heile-Welt-Bilder einer geradezu perfekten Natur sind immer noch besser als gar keine Visualisierungen. Sie sollen wohl zeigen, was hinten rauskommt, wenn man durchs Coaching durch ist: eine tiefe Balance und Zufriedenheit mit sich und der Welt. Aber leider sind sie völlig austauschbar. Und mir persönlich machen sie keine Lust auf Coaching und Training, höchstens auf Ferien.

Seestern-und-Stein-Pyramide

@Stockwerk-Fotodesign / stock.adobe.com

Visuelle Kommunikation: Bilder gehören zur Corporate Identity

Auch Experten und Bildungsanbieter können eine Unternehmensidentität entwickeln. Etwas, das fühlbar ist und dem Interessenten den Einkauf erleichtert. Hierzu gehören im Bereich Corporate Design Elemente wie Logo, Wort-Bild-Marke, Typographie, Symbole, Screendesign, Farbkonzept, Pressefotos, grafische, wiederkehrende Elemente. Auch die Kleidung, bestimmte Accessoires, der Einrichtungsstil eigener Trainingsräume oder die Verpackung der Angebote spielen in diesen Bereich. Aber vor allem geht es um Bilder. Fotos, Videos und alles Visuelle, was das im Marketingtext Gesagte unterstützt oder gar beweist.

Da gibt es Websites, auf denen ein Referent angibt, einer der führenden Top-Speaker zu sein, der regelmäßig große Hallen füllt und der dann nur Porträtfotos zeigt. Oder ein Trainer, der schreibt, besonders interaktiv und mit einem lebendigen Methodenmix zu arbeiten und dann maximal ein Bild von sich selbst am Flipchart bereithält. Hier wird eine Riesenchance vertan, dem Kunden wirklich Appetit zu machen, ihn zum Weiterlesen einzuladen, das Unbewusste anzusprechen. Sorry, ich muss diesen Satz schreiben, wenngleich er auch so abgegriffen ist: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“!

Gesicht zeigen, Leistung sichtbar machen

Die Macht der Bilder ist durch Internet und Digitalisierung noch größer geworden. Youtube, Facebook, Snapchat, TikTok, Instagram oder Pinterest: Die Foto- und Video-Sharing-Apps haben einen gigantischen Siegeszug angetreten und sind die am schnellsten wachsenden Communitys. Untersuchungen haben gezeigt, dass Bilder in den Social Media am meisten geliked werden; weit häufiger als Videos, Texte oder Links. Bilder sind also nicht nur schmückendes Beiwerk, sie haben definitiv mehr Kraft als das geschriebene Wort. Das menschliche Gehirn kann ein Bild in Sekundenschnelle verarbeiten; für eine komplexere Abbildung braucht es etwa zwei Sekunden. In der kurzen Zeit schaffen wir nicht mal die Rezeption von zehn Wörtern. Mehr als 80 Prozent der Informationen aus unserer Umwelt nehmen wir über den Sehsinn wahr, und insgesamt verarbeiten wir Bilder 60.000-mal schneller als Texte.

Bilder

  • sind (sehr häufig) weltweit verständlich
  • fungieren als Eyecatcher, die Aufmerksamkeit wecken
  • tragen zur Imagebildung bei
  • verstärken und beweisen das im Text Gesagte und erhöhen so die Glaubwürdigkeit
  • werden intuitiver aufgenommen und lösen schneller Emotionen aus
  • prägen sich leichter ein und können schneller wieder abgerufen werden
  • erzeugen innere Bilder beim Betrachter
  • laden zu intensiverer Beschäftigung ein
  • erzeugen menschliche Nähe und einen persönlichen Bezug
  • lassen Individualität entstehen, formen einen Charakter und stützen eine visuelle Identität
  • inszenieren einen Menschen und ein Angebot

 

Wir alle können die lila Kuh sofort einer Marke zuordnen, das Michelin-Männchen wiedererkennen oder die originellsten Werbefotos eines Autovermieters der Firma Sixt zuschreiben. Hier sind die Bilder und Visualisierungen Teil der Markenidentität. Wir haben sie im Kopf, wenn wir den Namen der Marke lesen. Unverwechselbar, nicht austauschbar, nicht kopierbar – zumindest nicht ohne rechtliche Probleme. Es gibt unzählige Schokoladen, Reifenhersteller und Autovermietungen.  Aber eben immer nur die eine mit der lila Kuh …

Visuelle Identität finden

@alphaspirit / stock.adobe.com

Trainings- und Beratungsangebote ähneln sich oft. Wie viele Vertriebstrainer gibt es? Wie viele Anbieter für Rhetorik und Kommunikation? Teambuilding oder Persönlichkeitsentwicklung? Management und Führung? Es sind unzählige, die sich auf den ersten Blick nicht so sehr unterscheiden. Was aber den Unterschied macht, was wirklich einzigartig ist, ist der Mensch hinter dem Angebot – der Trainer, der Berater, der Coach. Da gibt es die leiseren Menschen, die gerne im Einzelcoaching oder mit kleinen Gruppen arbeiten, die Spitzenreferenten, die große Bühnen bespielen, die Coachs, die ihre Räume nach Feng-Shui-Grundsätzen einrichten, die Unternehmensberater, die direkt und oft beim Kunden vor Ort im Projekt sind. Zeigt es! Im Bild, im Video, in den Texten. Sprecht in und mit Bildern, nicht nur im Seminarraum oder beim Vortrag, sondern auch im Marketing.

Text-Bild-Schere vermeiden

Idealerweise gehen Bild und Text in der visuellen Kommunikation Hand in Hand, sodass eine Verbindung zwischen Werbebotschaft und Bildaussage entsteht. Um die Auswahl der Motive festzulegen, die zum Angebot passen, muss konzeptionell und strategisch geplant werden. Was sollen die Fotos vermitteln? Wen sollen sie erreichen? Welche Assoziationen und Emotionen sollen geweckt werden? Unterstützen sie den Text? Können sie die schriftlichen Aussagen plastischer machen?

Auf der Website eines Trainingsanbieters war der Menüpunkt „Angebote für Gruppen und Teams“ mit einem Stockbild aufgemacht, das leere Klappstühle aus kargem Holz auf einer Wiese zeigt. Wahrscheinlich soll das Bild dazu einladen, Platz zu nehmen. Es konterkariert aber die Textaussage und ist eher schädlich als dienlich. Die Botschaft für den Betrachter: Schade, es ist leider keiner zum Training gekommen.

Text-Bild-Scheren vermeiden

Hier haben wir die klassische Text-Bild-Schere, denn auf der Website heißt es zum Foto: „Die Workshops zeichnen sich durch eine aktive Teilnehmerbeteiligung, durch Abwechslung und Vielfalt, durch Lernfreude und eine ungezwungene Atmosphäre aus.“

„Menschen sind Augentiere“

„Wir glauben, was wir sehen“, sagt Frank Keil, Psychologe an Yale University. Er hat in verschiedenen Experimenten belegt, dass das Auge der wichtigste Sinn des Menschen ist, das Sinnesorgan, dem wir am meisten Vertrauen schenken. „Das glaube ich erst, wenn ich es gesehen habe“, ist eine Redewendung, die genau in diese Richtung weist. Zeigt man Zuschauern einen TV-Bericht, in dem die Aussagen in Text und Bild widersprüchlich sind, glauben sie den Bildern und halten den Text für falsch.

Unserem Trainingsanbieter oben, der die leeren Stuhlreihen zeigt, nützt also der schöne Text mit aktiven Teilnehmern, Abwechslung und ungezwungener Atmosphäre überhaupt nicht. Er sollte sich vielmehr über die Wirkung, die er erzeugen will, bewusst werden. Er sollte wissen, woran er zu erkennen sein möchte, was ihn unverwechselbar macht, wie er wahrgenommen werden will. Strategisch geplant und durchdacht, können visuelle Elemente zu wesentlichen Ankern der Positionierung und der Marketingstrategie werden.

„Jedes starke Bild wird Wirklichkeit“, schreibt Antoine de Saint-Exupéry. Das sagt auch zugleich etwas über die Qualität der Bilder. Damit ein Motiv stark ist, muss es gut gemacht sein: professionell erzeugt, richtig ausgeleuchtet, eventuell nachbearbeitet. Eigene Bilder statt Stockfotos: Für eine starke Bildsprache braucht man Profis. Fotograf ist ein Beruf, Filmemacher auch, Grafiker ebenso. Selten gelingen gute Bilder im Selfmade-Verfahren. Deshalb braucht auch die visuelle Kommunikation ein Budget, um wirklich gute Resultate zu erzielen.

Menschen sind “Augentiere“, erklärt Ernst Pöppel, Professor für Medizinische Psychologie an der Universität München; schließlich ist die Hälfte des menschlichen Gehirns für die Verarbeitung visueller Reize zuständig. Also gilt es, den „Augentieren“ das Futter für die Emotionen zu liefern und eigenes Foto- und Videomaterial als Glaubwürdigkeitsverstärker und Imageunterstützer einzusetzen. Show, don’t tell!

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